Die Erwartungen der Bürger und auch des Gemeinderates an die Standhaftigkeit des neuen Bürgermeisters, den steigenden
Ansprüchen der Bürger oder der besonderen Interessengruppen zu widerstehen, sind ziemlich hoch. Wir, die Mitglieder des Gemeinderates, wünschen Ihm zu aller erst einen guten Start in Ihr neues,
verantwortungsvolles Amt. Wenn Sie die kommenden vier mageren Jahre gut durchkommen, stehen Ihnen auch mindestens 16 Jahre im "schönsten Amt, das die Stadt zu vergeben hat", in Aussicht. Unser
bisheriger Bürgermeister hat diese lange Zeit zumindest äußerlich gut überstanden. Ich wünsche mir, dass Sie, lieber Herr Ziegler, die Kraft und Lust haben, immer wieder einmal am Steuer des
Enkelwagens und am Arm Ihrer Frau nach Ladenburg zu kommen um zu sehen, ob ihr Nachfolger die Stadt kinder- und seniorengerecht weiter entwickelt. Ich ganz persönlich danke Ihnen für die
vergangenen 13 Jahre, in denen es mir meistens erhebliche Freude gemacht hat, in dem von Ihnen geleiteten Gemeinderat mitzuarbeiten.
2. Der heute zu verabschiedende Haushalt wird im Laufe des Jahres 2017 durch die persönliche „Handschrift“ des neuen
Bürgermeisters Stefan Schmutz, ergänzt. Für einen neuen Bürgermeister gilt die alte Bauernregel: treffen Sie die eventuell unpopulären Entscheidungen und Weichenstellungen in der eigenen
Verwaltung und bei den Wünschen und Forderungen aus der Bevölkerung schnell, am besten noch in den ersten sechs Monaten Ihrer Amtszeit. Dann erkennen die Bürger und Sie selbst vor dem Ende der
ersten Legislaturperiode deren Nutzen.
3. Die größte Herausforderung des neuen Bürgermeisters wird es sein, die Finanzen der Stadt wieder in Ordnung zu bringen.
Ich teile seine Meinung, dass die bisher eingeleiteten Maßnahmen zur finanziellen Erholung, und damit zur Gewinnung neuer Handlungsspielräume, erst in ca. 3- 4 Jahren greifen, dann nämlich, wenn
die jetzt angestoßenen Neubaugebiete bewohnt sind und damit die Zahl der Einwohner um rd. 1.500 auf rd. 13.000 Menschen gestiegen sein wird. Bis dahin wird sich die Stadt darauf konzentrieren
müssen, die Pflichtaufgaben gut zu erfüllen, die Bausubstanz der städtischen Einrichtungen zu erhalten und neue Projekte nur anzugreifen, wenn sie keine Folgekosten nach sich ziehen bzw. diese
sogar senken.
4. Die Ausweisung von Neubaugebieten, auf die wir von der FDP seit 12 Jahren drängen, wird u.a. die Einnahmen aus
Einkommensteueranteilen so erhöhen, dass die launische Diva Gewerbesteuer als Haupteinnahmequelle der Stadt abgelöst wird. Hinzu kommt, dass die dadurch gewonnene zusätzliche Kaufkraft – das ist
unsere Erwartung – unseren Geschäften, den Gewerbetreibenden, Gaststätten und Handwerksbetrieben zugute kommt, und dass davon auch die Altstadt profitieren wird. Mit den Neubaugebieten erreichen
wir außerdem die notwendige Verjüngung der Altersstruktur, denn der Gemeindesrat wird seinen Einfluss auf die Auswahl der Erstbezieher in diesem Sinne geltend machen: wir sollten und wollen junge
Familien mit Kindern den Vorrang geben.
5. Vom
neuen Bürgermeister, von seiner Verwaltung und von den Gemeinderatskollegen wünsche ich mir, dass sie im Tempo bei der Planung und Fertigstellung der Neubaugebiete noch einen Zahn zulegen. Auch
ist uns wichtig, dass die Qualität bzw. der Charakter der Neubaugebiete unverändert dem hohen Anspruch genügt, den z.B. für die Nordstadt der Lenkungsausschuss des Gemeinderates, beeinflusst
durch das Institut von Professor Christ, formuliert hat. Die gerade von der CDU-Fraktion ausgelöste Absetzung des Tagesordnungspunktes "Zustimmung zum Vorentwurf zum Bebauungsplan Nordstadt", der
eine frühzeitige öffentlichen Auslegung ermöglicht hätte, ist kontraproduktiv. Dadurch verzögert sich die weitere Bearbeitung des Themas um mindestens drei Monate.
6. Wir wünschen uns vom neuen Bürgermeister starke Initiativen, die freien bzw. frei gewordenen Industrie- und
Gewerbegrundstücke mit solchen Unternehmen zu belegen, die Arbeitsplätze nach Ladenburg bringen und die verlorenen Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt ausgleichen. Das ist die Stellschraube, mit
der der Zeitraum bis zu den neuen Handlungsspielräumen unter die vorhin genannten 3-4 Jahre gedrückt werden könnte. Die bisherigen Interessenten für das frei gewordene Reckitt Benckiser-Gelände benötigen große Flächen, lassen aber nach
bisheriger Einschätzung kaum vergleichbare Gewerbesteuereinnahmen und Arbeitsplatzzahlen erwarten.
7. Ladenburg hat nach einer kurzen Steigerung wieder einen Rückgang der Geburtenzahlen zu verzeichnen. Trotzdem gibt es
großen Druck seitens der Eltern, die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen zu verlängern in Richtung Ganztagesbetreuung (kein Pflichtaufgabe!) und die Zahl der Betreuungsplätze
insgesamt zu erhöhen. Diese Erwartungen der Eltern an die Kommunen bestehen bundesweit. Das hat den Hauptgeschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, zu folgendem
kritischen Kommentar veranlasst:
„Dieses Jahr ist Bundestagswahl. Schon jetzt kündigen die Parteien zusätzliche staatliche Wohltaten an, besonders im Sozialbereich… Die Erwartungshaltung der Bürger in den Kommunen
gegenüber dem Staat nimmt gleichzeitig zu. Als ein Beispiel für die überzogenen Erwartungen kann der Ganztageskindergarten mit möglichst kleinen Gruppen, hochschulausgebildeten Erzieherinnen und
Erziehern, Bioverpflegung und Betreuungsmöglichkeiten von 7-18 Uhr sowie an den Wochenenden stehen. Das ganze natürlich zum Nulltarif, selbst wenn beide Eltern gut verdienen. Hier ist es
die Aufgabe der Politik deutlich zu machen, dass der Staat nur das verteilen kann, was er vorher über Steuern, Gebühren und Beiträgen eingenommen hat,…. Wir müssen endlich den Weg vom Vater Staat
zum Bürgerstaat schaffen. Dann wird die Zukunft Deutschlands gesichert und der Sozialstaat nachhaltig gefestigt.“
8. Das ist sicher überspitzt formuliert, aber es beinhaltet ein Körnchen Wahrheit. Unser Wunsch an den neuen
Bürgermeister, der dieses Metier aus Mannheim gut kennt, lautet: Finden Sie angesichts der engen Handlungsspielräume die richtige Mitte zwischen der Finanzierung von kommunalen
Pflichtaufgaben und Freiwilligen kommunalen Leistungen, und auch zwischen Eltern, die aufgrund einer engen finanziellen und sozialen Situation dringend auf Kinderbetreuungsangebote der
Stadt angewiesen sind, und solchen, die von der Stadt erwarten, trotz gutem Doppelverdiener-Einkommen die Kinderbetreuung subventioniert zu bekommen.
9. Bekanntlich besuchen Ladenburger Kinder Betreuungseinrichtungen in Nachbargemeinden, so wie Kinder von Nachbargemeinden
in Ladenburger Betreuungseinrichtungen versorgt werden. Auf Grundlage einer Empfehlung des Gemeindetages wurde eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen den Kommunen des
Rhein-Neckar-Kreises, der Stadt Mannheim und der Stadt Heidelberg geschlossen, mit dem Ungleichgewichte finanziell ausgeglichen werden. Der interkommunale Finanzausgleich bezieht sich auf alle
Kinder in anerkannten städtischen, kirchlichen und privaten Kinderbetreuungseinrichtungen. Auch für die Finanzierung der Ladenburger Werkrealschule gilt ein ähnliches kooperatives
Finanzierungsmodell.
In der Schulkommission am 16. Februar haben die Schulleitungen des CBG und der Merianschule mir bestätigt, dass ca. 50 % ihrer Schüler von außerhalb Ladenburg kommen. Diese Aussage ermutigt mich
zu dem Vorschlag, die Stadtverwaltung möge ernsthaft prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verhandlung und den Abschluss einer analogen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit unseren
entsendenden Nachbargemeinden gegeben sind, sich an den Kosten des Betriebes und der Investitionen der Ladenburger Schulen, insbesondere des CBG und der Merianrealschule, zu beteiligen. Das
Gemeindeprüfungsamt fordert uns Jahr für Jahr auf, alle zusätzlichen Einnahmemöglich-keiten zum Ausgleich unseres maroden Haushaltes einzusetzen. Bisher begründete der Bürgermeister seine
Zurückhaltung gegenüber meinem Vorschlag damit, dass vor 40 Jahren der Verzicht auf eine Kostenbeteiligung der Preis dafür war, dass sich Ladenburg „Unterschulzentrum“ nennen durfte, und dass die
Verhandlung und die Durchführung einer derartigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit großem Verwaltungsaufwand verbunden sei. Können wir es uns wirklich leisten, mit diesen Argumenten auf
den Versuch zu verzichten, den aktuellen Zuschussbedarf von rd. 1,6 Mio Euro für unsere Schullandschaft zu verringern? Mein Wunsch an den neuen Bürgermeister ist es deshalb, diese Option
ernsthaft zu prüfen und dem Gemeinderat das Ergebnis mitzuteilen.
10. Lassen Sie mich eine Anmerkung zu den Plänen machen, die Kapelle St. Sebastian durch die Stadt übernehmen zu lassen und
die Sanierungskosten von insgesamt 1,2 Mio Euro zwischen der Kath. Kirche, der Stadt und Dritten zu teilen, wobei als Finanzierungsanteil der Stadt 163.000 Euro vorgesehen sind. So
wurde es uns in einer denkwürdigen nicht-öffentlichen Sitzung am 14.12.2016 vom Bürgermeister und von den beiden an den Verhandlungen beteiligten Stadträten mündlich erläutert. Es gab keine
Verwaltungsvorlage und keinen schriftlichen Vorschlag für diesen weitreichenden Beschluss, über den man vorher nachdenken oder sich mit Dritten hätte beraten müssen. Mir ist es unerklärlich, dass
der Gemeinderat – gegen meine Stimme – diesem überfallartigen Vorgehen zugestimmt hat. Die Verwaltung hat Wochen danach diese Übernahmevereinbarung grob auf einer Seite schriftlich fixiert und im
Gemeinderat verteilt. Sie entspricht – was die Kosten der Sanierung betrifft - dem Sanierungskonzept, das die Firma Salinger & Partner GmbH Mitte 2015 erstellt hat, und das von
allen Seiten als seriös und fundiert bezeichnet wird. An keiner Stelle des Verwaltungsvorschlages wird jedoch auf dieses Konzept Bezug genommen. Das macht mich misstrauisch. Ich bin sehr für eine
Übernahme der Kapelle, einem wichtigen Baudenkmal der Stadt. Aber die Bedingungen müssen in der Vereinbarung mit der Kath. Kirche, dem Denkmalamt und anderen Beteiligten unzweideutig geklärt und
kontrollierbar sein: Sanierung strikt nach dem Konzept S&P, Begrenzung der Sanierungskosten auf 163.000 Euro für die Stadt und vorherige Klärung, welcher Partner für eventuelle Mehrkosten
aufkommt. Offen bleibt allerdings die spätere Nutzung der dann profanierten Kapelle, die – so hat es Herr Schmutz im Wahlkampf gefordert – die laufenden Kosten decken muss.
Mein Wunsch an den neuen Bürgermeister Stefan Schmutz lautet deshalb: Bitte stellen Sie sicher, dass das Konzept von Salinger &Partner als Grundlage für die einzelnen
Sanierungsschritte einschließlich der darin beschriebenen Gewerke und beteiligten Fachfirmen gilt und die Basis für die Sanierung und die Übernahme der Kapelle ist. Bitte legen Sie den Vertrag
darüber dem Gemeinderat zur Entscheidung vor.
11. Wir haben - oberflächlich betrachtet - noch eine friedliche Atmosphäre in der Stadt, aber auch bei uns wird es
schwieriger, das gefühlte Gleichgewicht bei der Betreuung von einheimischen und ausländischen Hilfsbedürfigen zu halten. Ich bin deshalb sehr dankbar, dass der Gemeinderat als einzige
Personalaufstockung vor zwei Wochen eine Mitarbeiterstelle geschaffen hat, die die Kapazität des Sozialamtes insbesondere für die Betreuung der einheimischen Hilfsbedürftigen und Obdachlosen
erhöht. Diese Entscheidung wird dazu beitragen, den gesellschaftlichen Frieden zu erhalten, der durch den immer häufiger gehörten Vorwurf gefährdet wird, den „Ausländern bzw. Asylanten“
würden alle Vorzüge unseres Sozialstaates gegeben, allerdings zulasten der einheimischen Hilfebedürftigen. Frau Loida, unsere neue Ordnungs- und Sozialamtsleiterin, hat uns für die offenbar
zunehmenden Diskrepanz innerhalb der von ihr betreuten beiden Zielgruppen sensibilisiert.
12. Herrn Hessenthaler und der übrigen Verwaltung mit Herrn Ziegler an der Spitze danke ich für die offene Beratung und für die Erstellung des umfangreichen Zahlenwerkes. Aus meiner Sicht ist der Etat 2017 ein annehmbares Optimum aus dem, was die Bürger brauchen und was die Stadt derzeit leisten kann. Ich stimme deshalb dem Etat 2017 zu. Die Mittelfristige Finanzplanung nehme ich zur Kenntnis, allerdings nicht zustimmend.
Wolfgang Luppe